Illegale Straßenrennen in Deutschland

Am 13. Oktober 2017 trat in Deutschland eine neue Normdes Strafgesetzbuchs in Kraft. § 315d StGB - verbotene Kraftfahrzeugrennen.Hintergrund der Einführung der Strafnorm waren die zunehmenden illegalen Autorennenauf Deutschlands Straßen. Besonders der “Kudammer Raserfall” in Berlin Anfangdes Jahres 2016 hatte dabei für viel Aufsehen gesorgt.

Zwei junge Männer lieferten sich am 01. Februar 2016nachts um halb einsNacht um halb eins auf dem Kurfürstendamm, eine derbekanntesten Shoppingmeilen Berlins, spontan ein Wettrennen mit ihrenSportwagen. Dabei ignorierten sie mehrere rote Ampeln und erreichten eineGeschwindigkeit von bis zu 170 Stundenkilometern. Kurz vor dem Ziel kollidierteeiner der Angeklagten mit einem anderen Autofahrer der bei Grün aus einerSeitenstraße kam. Der 69-jährige Rentner hatte aufgrund der hohenGeschwindigkeit der beiden Raser keine Chance auszuweichen und starb noch ander Unfallstelle.

Das Landgericht Berlin verurteilte die beiden Raser daraufhinwegen gemeinschaftlichen Mordes in Form der Tötung mit gemeingefährlichenMitteln nach §§ 212, 211 II Alt. 7, 25 II StGB in Tateinheit mit gefährlicherKörperverletzung nach §§ 223 I, 224 I StGB und einer vorsätzlichen Gefährdungdes Straßenverkehrs gemäß § 315c I Nr. 2 a, d StGB zu einer Haftstrafe von 13Jahren Gefängnis. Eine Verfassungsbeschwerde der Angeklagten beim BGHscheiterte. Damit waren zum ersten Mal Raser wegen Mordes zu lebenslanger Haftverurteilt worden.

Raserfälle mit Todesfolge sind keine Neuerscheinung. DieAnnahme von Mord in solchen Fällen jedoch schon. Die Kernfrage bei Raserfällenist, ob die Personen, die durch die weit überhöhte Fahrgeschwindigkeit anderemindestens gefährden, weiter auch Tötungsvorsatz haben. Nur dann kann einTötungsdelikt nach den §§ 211 – 213 StGB angenommen werden. Liegt kein Tötungsvorsatzvor, ist lediglich eine fahrlässige Tötung gemäß § 222 StGB und eine Gefährdungdes Straßenverkers gemäß § 315c StGB anzunehmen und somit ein deutlichgeringerer Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe als die 10 Jahrebis lebenslanger Freiheitsstrafe.

Zu diskutieren ist hier also der Tötungsvorsatz.Bedingter Tötungsvorsatz liegt dann vor, wenn der Täter den Tod eines anderenMenschen durch sein Handeln als möglich und nicht ganz fernliegend erachtet unddies auch billigt oder sich zumindest damit abfindet, um das erstrebte Ziel zuerreichen.

Aber um was geht es den sogenannten Rasern, dieWettrennen veranstalten und austragen? Personen die solche illegalen Autorennenfahren vertrauen darauf, dass es schon gutgehen werde; dass seine Fähigkeitenausreichen, um sicher durch das Rennen zu kommen. Es geht allein um den Sieggegen den Kontrahenten und sich gegen ihn zu beweisen. Sie wollen eben geradenicht das eigene, teure und geliebte Auto zerstören oder eine andere Personverletzen. Der Reiz eines solchen Kräftemessens steht im Vordergrund. Auch wennder objekive Betrachter annehmen würde, dass hier die Schädigung eines anderenMenschen billigend in Kauf genommen wird, bleibt das Gesetz zu beachten. Die §§15, 16 des deutschen Strafgesetzbuches fragen allein danach, ob jemand mitVorsatz handelte, mag die Tat auch noch so vorwerfbar sein.

Tatvorsatz in Raserfällenmit Todesfolge anzunehmen ist daher oft nicht so einfach und eine Verurteilungwegen fahrlässiger Tötung in Bezug auf eben solche Fälle, die denen das Lebenund die körperlich Unversehrtheit eines anderen Menschen stark gefährdet odersogar verletzt wurde, erscheint als kein verhältnismäßiges Urteil.

Unter anderem als Reaktion auf eben diesen besondersmedial präsenten „Kudammer Raser Fall“ schaffte der Gesetzgeber den § 315d StGB,der am 13. Oktober 2017 in Kraft trat und zu den gemeingefährlichen Straftatenzählt.

Durch den § 315d StGB werden nun auch verboteneKraftfahrzeugrennen und Rasereien Einzelner im öffentlichen Straßenverkehrunter Strafe gestellt.

Ein Rennen ist dabei ein Wettbewerb mitKraftfahrzeugen, bei denen zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Siegerdurch Erziehlung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird, wobei eseiner vorherigen Absprache bedarf. Auch allein das Bestreben nach höchstenDurchschnittsgeschwindigkeiten begründet einen Renncharakter.

Gemäß § 315d I StGB macht sich danach strafbar, werein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt (Nr. 1), alsKraftfahrzeugführer an einem unerlaubeten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt (Nr. 2)oder wer sich als Kraftfahrzeugfahrer mit nicht angepasster Geschwindigkeit undgrob verkehrswidrig fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zuerreichen (das sogenannte Einzelrennen) (Nr. 3) und wird mit einerFreiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.

Aber der § 315d StGB geht noch weiter. Er bildet damiteine Grundlage in denen eben auch die Fälle umfasst werden, in denen eineGefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für eine fremde Sachevon bedeutendem Wert geschaffen wird. Wird diese Gefahr auch realisiert und wirdso etwa der Tod oder eine schwere Gesundeitsschädigung eines anderen Menschenverursacht (Absatz 5), bemisst sich die Strafe auf eine Freiheitsstrafe voneinem Jahr bis zu zehn Jahren.

Im Vergleich dazu bemisst sich die Strafe bei einerfahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB auf bis zu fünf Jahre oder auf eine Geldstrafe.In den Fällen, in denen es aufgrund glücklicher Umstände nicht zuPersonenschäden kam, konnte sogar Straflosigkeit zur Debatte stehen.

In Bezug auf das deutlich höhere Strafmaß des §315d  StGB weist der BGH in seinem Urteilvom 11. November 2021 weiter darauf hin, dass die besondere Gefährlichkeit derKraftfahrzeugrennen darin zu sehen ist, dass es zwischen den konkurrierendenKraftfahrzeugführern zu eine Kräftemessen als ein Übertreffenwollen, gerade inBezug auf die gefahrene Geschwindigkeit, kommt. Somit entsteht die GefahrVerkehrssicherheiten außer Acht zu lassen und auch der Verlust der Kontrolle wirdin Kauf genommen. Bei einem solchen Rennen liege die Aufmerksamkeit auf demVerhalten des Konkurrenten.

Doch wie wirkt sich der § 315d StGB nun auf die zuverhängende Strafe aus? Vor dem Inkrafttreten war es lediglich nur ein Bußgeldvon 400€ für Teilnehmer und 500€ für Veranstalter, welches nach demBußgeldkatalog erhoben wurde (§ 24 I S.1 StVG in Verbindung mit §§ 49 II, 29 IStVO). Dieseals unbefriedigend identifizierte Strafbarkeitslücke schloss der Gesetzgebernun mit eben dieser neuen Strafnorm. Verbotene Kraftfahrzeugrennen sind nunnach den Voraussetzungen des Absatz eins strafbar und werden mit bis zu zweiJahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Nach dem Urteil des LG Berlinund nach der Revisionsentscheidung des BGH sind zukünftig auch Verurteilungenwegen Mordes in Tateinheit mit verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolgemöglich.

Hintergrund dafür ist vor allem dieAusführung des BGH zur Annahme des Tatvorsatzes: „ Für die Prüfung, ob einkonkretes Geschehen mit tödlichen Folgen vom bedingten Vorsatz erfasst ist,kommt es entscheidend darauf an, ob der Täter einen bestimmten Geschehensablaufals möglich erkennt und die mit diesem Geschehensablauf einhergehendeEigengefahr hinnimmt. Ist dies der Fall und verwirktlicht sich diesesGeschehen, ist es für die Prüfung der Vorsatzfrage unerheblich, ob der Täterbei Fassen des Tatentschlusses weitere Geschehensabläufe, die aus seiner Sichtmit einer höheren und deshalb von ihm nicht gebilligten Eigengefahr verbunden sind,ebenfalls für möglich erachtet.“

Der § 315d StGB trägt also zurSchließung einer Strafbarkeitslücke bei, die in den letzten Jahren immerrelevanter wurde in Deutschland. Doch bleiben auch Zweifel über die Wortlautauslegungdes neuen Straftatbestands. Vor allem die Auslegung und Interpretation eines„Rennens“ nach Absatz eins wird oft disskutiert. Sollte weiterhin eineAuslegung des bisherigen § 29 I StVO, welcher durch das Inkrafttreten des §315d StGB entfiel, erfolgen, so wie es das OLG Hamm in seinem Urteil tat? Odermuss durch die Erweitereung des Strafmaß auch die Auslegung des Wortlauts einemneuen Ansatz folgen? Klar ist, dass die Einführung noch sehr nah am Einzelfallbetrachtet wird und erst noch einen gefestigten Charakter bekommen wird.

Wencke Vogel